Hauptstraße

(Xxxxxxx)

Gelangweilt spazierte ich durch die Straße, meine Augen ruhelos auf der Suche nach einer locker sitzenden Brieftasche oder anderen leicht zu erreichenden Wertsachen. Dann hieß es nur, den Leuten ein wenig die Sicht vernebeln und sich die kleinen Schätze schnappen.
Meine Fingerspitzen wackelten angespannt während ich mich an den Leuten vorbeidrückte. Der Mann dort trug sein Portemonnaie eindeutig zu offen, so als würde er es teilen wollen. Umsichtig näherte ich mich ihm und er sah mich selbst verständlich nicht, ebenso wenig bemerkte er wie seine Brieftasche verschwunden war.
Mit einem selbstgefälligem Grinsen ging ich weiter, nun hoffentlich um einiges reicher.

Warum genau hatte ich mich noch mal aus der Jokerbox, meiner Jokerbox, bequemt? Ach ja, aufgrund dieser haarsträubenden Gerüchte. Gotham hatte bisher mir alleine gehört, und nun tauchten alle Nase lang kleine Möchtegernschurken auf, die mir meine Stadt streitig machen wollten.
Die Arbeit zweier Leben steckte in dieser Stadt, sie war mein, verdammt. Um mich selbst von diesen lästigen Gedanken zu befreien, hob ich den Blick und entdeckte gerade noch, wie ein junger Mann, vielleicht so alt wie ich, lässig einem anderen die Brieftasche abnahm.
Kritisch musterte ich ihn, gesehen hatte ich den noch nicht. War er neu? Oder nur nie auf meinem Radar erschienen? Unauffällig, so weit es ging, folgte ich ihm.

Zufrieden zählte ich die Scheine in der Brieftasche, es war zwar nicht so viel wie ich erwartet hatte, aber es würde wohl reichen. Ich steckte das Geld in meine Hosentasche, den Rest warf ich einfach auf den Boden, sollte der arme Mann doch die Bilder seiner kleinen Kinder wieder bekommen. Auf der Suche nach neuer Beute huschten meine Augen durch die Menge, wobei ich hinter mir nur kurz auf blaue Augenpaare aufmerksam wurde, die mich misstrauisch zu beäugen schienen, dann aber sofort wieder aus meinem Blickfeld verschwanden. Ich tat es mit einem Schulterzucken ab, sollten sie doch gucken.
Nachdem ich aber kein geeignetes Opfer gefunden hatte, entschied ich mich in einer Seitengasse zu verschwinden um mein bisher gesammeltes Geld zu zählen.

Ich musste mich einfach vergewissern; war er nur ein Kleinkrimineller, oder eine Bedrohung?
Lautlos folgte ich ihm und blieb im Schatten der Hauswand stehen. Mein Blick analysierte jeden Zentimeter seiner Erscheinung, speicherte diese ab, um gegebenenfalls schnell darauf zugreifen zu können.
Genau wie mein Vater es immer getan hatte, biss ich mir leicht auf die Zungenspitze und sog die Luft ein, sodass ein leicht zischendes Geräusch entstand, dass in einem Schnalzen endete.
Es war ein Wink, dass er nicht alleine war.

Ich fuhr um und musterte die Person vor mir genaustens. Da er aber nicht so aussah wie ein Undercover-Cop entspannte ich mich wieder und steckte das Geld seelenruhig in die Tasche zurück.
"Was guckst du so?"
Arrogant hob ich das Kinn während ich ein Gift ausströmen ließ, das dem Gegenüber ein wenig Furcht einflößen sollte. Er wirkte abgesehen vom Blick nicht sonderlich gefährlich, warum dann nicht also ein bisschen Spaß haben? Mit einem selbstgefälligem Grinsen lehnte ich mich an die Mauer und wartete auf seine ängstlich aufgerissenen Augen.

"Du bist hier in meiner Stadt, und ich habe dich vorher noch nie gesehen? Also, wer bist du und warum hast du dich noch nicht vorgestellt?"
Fragend zog ich die Augenbrauen hoch und schnaubte leicht. Ich merkte von dem Gift nicht viel, meine Mutter hatte mir einen Großteil ihrer Immunität vererbt.
Etwas positives an der Sache. Nachdenklich strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und starrte ihn eindringlich an, ein breites Grinsen im Gesicht.

Ich ließ mir meine Verwirrung über seine ausbleibende Reaktion nicht anmerken, aber mein Grinsen war nicht mehr ganz so breit wie vorher.
"Deine Stadt? So so, dann heißt du wohl Gotham, was?" meinte ich nur spöttisch. Mir gefiel sein Befehlston nicht und ich blieb einfach weiterhin lässig an die Wand gelehnt. Sollte der doch andere rumkommandieren, aber nicht mit mir. Trotzig funkelte ich ihn an, für wen hielt der sich?

Für diese Art von Humor hatte ich selten Sinn. Ich stand immerhin mächtig unter Druck, mein Vater war nicht in der Stadt, er war in Los Angeles, und ich trug die Verantwortung hier.
"Nein. Nimm die Dinge doch ein wenig ernster. Ich bin der Harlequin, noch immer. Und Gotham gehörte meinem Vater, und nun mir. Also, wer bist du, woher kommst du und was tust du hier? Du hättest in der Jokerbox vorbei kommen sollen. Dann wäre alles einfacher."
Ich wusste nicht, ob mir seine trotzige Art gefiel oder nicht. Das musste ich anscheinend später entscheiden. Aber erst würde ich ihn ausquetschen wie eine Orange.

Ich musste kichernd. Der war wirklich verzweifelt was meine Antwort anging. Amüsiert betrachtet ich ihn bevor ich zum Antworten ansetzte. Ich war in diesem Gespräch derjenige der entschied, wann die Informationen geteilt wurden, da ich scheinbar am längeren Hebel saß. Das gefiel mir und ich kostete es voll aus in dem ich lang gezogen antwortete.
"Ich bin dein freundlicher Nachbarn von nebenan, bin vermutlich hier geboren und will einfach nur meine Ruhe haben."
Ich grinste ihn süffisant an, sollte er doch weiter quetschen.
"Was ist die Jokerbox?"
Ich musste mir eingestehen, dass ich keine Ahnung hatte wer sein Vater war.

Ich fühlte mich, als würde mein Hirn sich selbst gegen meine Schädelinnenwand schlagen und stöhnend daran herab rutschen. Er war in Gotham geboren? Dann war er aber ein verdammt kleines Licht in der Szene. Hatte er keine Ahnung, wer ich war?
Man sagte meinem Namen in einem Atemzug mit dem meines Vaters. Was er getan und bewirkt hatte, es war kein Wunder, dass meine Mutter ihn geliebt und vergöttert hat. Doch irgendwann wechselte sie ständig die Seiten. Wie konnte sie nur? Mein Vater war einfach jemand, zu dem man aufsehen musste.
Seufzend redete ich langsam weiter, als wäre er etwas... schwer von Begriff.
"Die Jokerbox ist mein Club. Er ist nach meinem Vater benannt. Dem Joker. Ich hoffe, den kennst du wenigstens?"
Prüfend taxierte ich ihn mit weit aufgerissenen Augen, ein leicht irres Grinsen im Gesicht.

Ich legte den Kopf schief und bemühte mich um den dümmsten Gesichtsausdruck den ich auf Lager hatte.
"Kannst du das bitte noch mal für mich wiederholen? Ich bin wohl noch nicht so schnell mit dem Gehirn."
Mein Grinsen konnte man nur als unverschämt frech bezeichen während ich mir durch die Haare fuhr. Also hatte ich hier den Sohn vom Joker und dieser Verrückten vor mir, die scheinbar gut mit meiner Mutter befreundet war. Dann erinnerte ich mich an seinen Namen, natürlich hatte ich von ihm gehört. Aber es schien ihm.so wichtig zu sein, dass ich es einfach verschwieg. Sollte der weiterhin glauben, dass sein Name noch nicht so weit verbreitet war.

Entweder war er wirklich selten dämlich, oder aber er nahm mich gerade auf den Arm. Und beides war nicht gut. Von Dummheit bekam ich Kopfschmerzen und verarschen lassen wollte ich mich nicht.
Mit beiden Händen fuhr ich mir durch die Haare, lockerte sie im Nacken etwas auf.
"Nun, du bist wirklich speziell. Falls du mich entschuldigen kannst, ich habe anderes zu tun als mich mit hirnlosen Individuen abzugeben. So wie du eines bist."
Ich hoffte, er würde sauer genug werden, mir in die Jokerbox zu folgen. Dort wollte ich ihn haben, nicht hier.
Mit einem letzten, abfälligen Blick und einem höhnischen Grinsen wandte ich mich um.

Ich schnaubte empört und erneut stellte ich mir die Frage für wen der sich eigentlich hielt. Der konnte auf jeden Fall was erleben, wenn ich erst wüsste wo sein seltsamer Club war, da würde er später ein paar Dinge vermissen.
Ich wartete ein paar Sekunden und folgte ihm dann mit sicherem Abstand innerlich vor Wut brodelnd. Warum hatte mein Gift nicht angeschlagen? Warum stolzierte der hier durch die Gegend mit seinen krassen Augen und kommandierte jeden rum?

Ich wusste, dass er mir folgte. Es war gut, alles lief gut.
Zuversichtlich spazierte ich die Hauptstraße runter zu einem niedrigen Gebäude.
Ohne mich um zu sehen öffnete ich die schwere, weiße Metalltür, laute Musik drang mit entgegen und ich trat ein.

- moving to Jokerbox ^^